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Stellungnahme der BDA-Gruppe Frankfurt zu den Entwicklungen des Ernst-May-Viertels und Innovationsquartiers

31. August 2016

Der Bund Deutscher Architekten BDA verfolgt mit großer Aufmerksamkeit die Entwick­lungen zu den Planungsverfahren des neuen „Ernst May-Viertels“ im Frankfurter Nordosten.

Das Stadtviertel entsteht im Rahmen der Teil-Einhausung der A66, durch die auch eine neue durchgehende Grünverbindung zwischen Nordend und Seckbach geschaffen wer-den soll. Die Benennung nach dem für das „Neue Frankfurt“ bedeutenden Architekten, Stadtplaner und Frankfurter Stadtbaurat Ernst May (1886-1970) deutet an, welch hohe Bedeutung der Entwicklung dieses Viertels seitens der Stadt beigemessen wird.

Angesichts der anhaltend hohen Nachfrage nach Wohnraum im Frankfurter Stadtgebiet ist die Quartiersentwicklung in einer Innenstadt-nahen Lage mit vorhandenem ÖPNV-Anschluss zu begrüßen. Aus Sicht des BDA Frankfurt ist jedoch aus verschiedenen Gründen eine Überprüfung des laufenden Planungsprozesses erforderlich:

– Die öffentliche Vorstellung des Bebauungsplan 808 – („Innovationsquartier“) Friedberger Landstr. / Südlicher Wasserpark Ende April 2016 war von deutlichen Bürgerprotesten begleitet. Dies zeigt, dass die bisherige Form der Öffentlichkeits­einbindung nicht erfolgreich ist.

– Die aktuelle Entscheidung aus dem Bundesgeneralverkehrsplans, die Einhausung der A661 auf eine Strecke von ca. 400 m zu kürzen, hat deutliche Auswirkungen auf die Qualitäten des Quartiers und des Grünzugs.

– Der 2012 aus einem kooperativen Mehrfachbeauftragungsverfahren hervor­gegangene Entwurf des Büros Pesch & Partner ist in der heute vorgestellten Planung nicht mehr zu erkennen und entspricht nicht dem Charakter eines innovativen Modellstandorts.

Im derzeitigen Stand erscheint der große Maßstab der Blockrandbebauung in den verschiedenen Proportionen überdimensioniert und nimmt nicht auf die angrenzenden städtischen Strukturen Rücksicht. Ein wünschenswerter Bezug zur Nachbarschaft wird vermisst. Ansätze zu städtebaulichen Innovationen sind im Textteil des B-Plans formuliert, jedoch nicht im Lageplan ablesbar. Es ist fraglich, ob eine Ringstraße mit diversen Tiefgaragenzufahrten und Spielplatzflächen die Qualität des öffentlichen Raums steigert und eine Wohnqualität adäquat zum beliebten Nordend schafft. Die neusten Forderungen nach Reduzierung der Wohnungsanzahl bzw. Verzicht von Baukörpern zu Gunsten von Grünflächen werden nicht zur Verbesserung des städtebaulichen Konzepts und der Akzeptanz in der Bevölkerung führen.

Der BDA Frankfurt empfiehlt, in der weiteren Bearbeitung großen Wert auf einen diffe-renzierten Umgang mit der städtebaulichen Dichte und der Nutzungsverteilung sowie auf funktionierende öffentliche, halb-öffentliche, private und grüne Außenräume zu legen. Eine ausgewogene Durchmischung der Erdgeschossflächen mit Läden, Gastronomie, Praxen, Ateliers, Büros und kleinen Werkstätten sowie Treffpunkte für Jugend, Nachbarn und Sport kann das Quartier stärken. Flexible Wohnungsgrundrisse sind nötig, um auch zukünftigen Generationen und alternative Formen des Zusammenlebens zu bedienen.

Frankfurt benötigt dringend bezahlbaren Wohnraum, der sich vorbildlich und zukunfts-weisend den gewachsenen Anforderungen dieser Stadt stellt und u.a. auch gemein­nützige und genossenschaftliche Wohnmodelle fördert. Der BDA fordert, zur Entwicklung des Gebietes innovative Planungsprozesse anzustoßen. Zur weiteren Bearbeitung sollten dem Stadtplanungsamt zusätzliche Mittel vom Magistrat zur Verfügung gestellt werden, damit ein offener Wettbewerbsdialog in Verbindung mit einer öffentlichen Bürgerbeteiligung durchgeführt werden kann. Vergleichbare Verfahren auf der Ebene der Stadt- und Gebäudeplanung haben anderen Orts bereits große Erfolge vorweisen können.

Erfolgreiche Stadtentwicklung erfordert Mut zu Innovation und den Willen, überregulierte Anforderungen, überholte Standards und Beschränkungen in Frage zu stellen. Es gilt, Spielräume zu öffnen und im Sinne der Stadtgestaltung zu nutzen. Frankfurt hat viele Potentiale für eine zukunftsweisende Stadtentwicklung und zur Schaffung von Orten, die ihrerseits Innovation begünstigen. Die Kultur des Neuaufbruchs und der Anspruch des städtebaulich Visionären vom Neuen Frankfurt 1926-1933 sollte im Ernst-May-Viertel anhand der heutigen Anforderungen eine aktuelle Interpretation erfahren.

Der BDA weist in diesem Zusammenhang auf die derzeitige Veranstaltungsreihe „Poesie des Wohnens“ auf dem Rossmarkt hin. Hier wird u.a. ein beispielhaftes Züricher Stadt­quartier ausgestellt und durch künstlerische Performance das Thema „Wie wollen wir wohnen?“ bearbeitet. Am Freitag dem 2. September 2016 findet in dieser Reihe ein Symposium zum innovativen Wohnen statt. Des Weiteren veranstaltet der BDA Frankfurt am Sonntag, dem 4. September einen Stadtspaziergang mit dem Titel „WohnRaumSuche“ durch das Neue Frankfurt im Gallusviertel, der in der Hellerhof­siedlung von Mart Stam aus dem Jahr 1930 startet.

Hintergrund
Der BDA Frankfurt fasst in der AGENDA FRANKFURT Themen zusammen, die für die architektonische und städtebauliche Entwicklung sowie die Planungskultur der Stadt von Bedeutung sind. Ziel der AGENDA FRANKFURT ist ein kontinuierlicher Dialogprozess und eine kontinuierliche Zusammenarbeit zwischen BDA Frankfurt und Politik, Stadtverwaltung, Verbänden, Investoren und Öffentlichkeit.

In Bezug auf die Planungskultur fordert der BDA Frankfurt in der AGENDA FRANKURT einen Konsens darüber, dass Architektur- und Stadtplanung sich grundsätzlich der Verantwortung für die Stadt zu stellen haben und auch andere Interessen – etwa privater oder kommerzieller Natur – dieser Verantwortung gerecht werden müssen. In diesem Kontext bilden Wettbewerbe lang erprobte Verfahren zur Sicherung hoher architektonischer und städtebaulicher Qualitäten. Innovative Ideen sowie funktionale und gestalterische Vielfalt entstehen dauerhaft nur auf der Basis transparenter Rahmenbedingungen, sinnvoller inhaltlicher Vorgaben und durch eine faire und spannungsvolle Zusammensetzung der Mitwirkenden (Preisgericht, Teilnehmer etc.). Frankfurt braucht zur Entfaltung seiner Potenziale mehr WETTBEWERBE, die diese Anforderungen erfüllen. Gleichzeitig braucht Frankfurt neben dem Städtebaubeirat einen qualifizierten Gestaltungsbeirat, der Politik und Planung unabhängig und fachkundig bei zentralen Planungsprozessen unterstützt. Baukultur entwickelt sich zudem immer auch auf der Grundlage eines ÖFFENTLICHEN DISKURSES. Die Etablierung einer breiten Architekturdiskussion, die Wahrnehmung der Geschichte und Qualitäten des Stadt­raumes und eine erfolgreiche Bürgerbeteiligung beeinflussen Entwicklungsprozesse positiv und stärken Frankfurt.

BDA Gruppe Frankfurt – 31. August 2016

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